Essen ist für mich nicht nur da, damit ich satt werde. Essen ist so viel mehr für mich, da ich dabei wundervolle Gespräche führen oder gar einen Mann verführen kann.
Wofür sich Lokale mit blendend weißen Tischdecken vorzüglich eignen. Falls man sich unter dem Tisch berühren möchte...
Aber, ich schweife ab.
Zuerst habe ich die schöne Qual der Wahl: Soll´s ein Italiener, Grieche (nicht so gut für ein erstes Date), Türke (wie beim Griechen), Bayerisch oder ein Asiate sein?
Dann stellt sich mir die Frage: möchte ich in ein edles, gemütliches, flippiges, hippes oder gar ausgefallenes Restaurant?
Habe ich mich für die Art des Lokals entschieden und ich lese im Restaurant meiner Wahl die Speisekarte, was bei mir immer länger dauert, schmecke ich bereits jedes Gericht auf meiner Zunge, sofern ich in meinem Leben bereits das Vergnügen damit hatte.
Da ich gern Neues ausprobiere, hilft mir in solchen Fällen der Hinweis: süß, süßsauer, scharf, würzig, mild... auch hier weiß frau gleich, welchen Geschmack ich in Kürze auf meinem Gaumen genießen werde.

Normalerweise mache ich mir vorher keine Gedanken, ob mein Gegenüber die Zelebration des Essens beherrscht. Denn jeder - davon gehe ich normalerweise aus - hat ja eine Kinderstube von seinen Eltern mitbekommen. Und zu neunundneunzig Prozent speise ich mit Menschen, die ein gutes Essen zu schätzen wissen, die die Tischregeln beherrschen und mit denen es gleichzeitig möglich ist, ein anregendes Gespräch zu führen.
Aber, dann gibt es da noch dieses winzige Prozent!
Was sehen meine Augen da. Oh weh...!
Mein Gegenüber hat sein Teller zu seinem ganz persönlichen Feind erklärt, denn es sieht aus, als hätte dort ein verheerender Krieg stattgefunden.
Das Steak, blutig, wurde in seine einzelnen Fasern zerlegt, Gemüse daruntergestampft, das inzwischen aussieht, als wäre es ein bereits gegessener Brei, der mit Blut durchtränkt ist.
Selbstverständlich durfte der Salat sein edles Dasein nicht auf einem extra Teller fristen, er muss auch noch mit eingematscht werden.
Alles zusammen wirkt auf mich doch sehr appetithemmend.
Mein Gegenüber hat sich entschlossen, mit weit geöffnetem Mund zu sprechen, damit ich die breiartigen Elemente wie auf einer Autobahn des Schreckens bis zu seinem Schlund verfolgen kann.
Nein, muss!
Und der Clou des Ganzen, es hat sich eine dieser Perlen auf seine Unterlippe gestohlen. Nun muss ich mich entscheiden. Soll ich meinen Blick von dieser Brei-Autobahn abwenden, damit sie mich nicht mehr behelligt, oder soll ich lieber hinsehen, damit ich den Augenblick nicht verpasse, wenn das Stück an seiner Unterlippe in meine Richtung abgeschossen wird, und ich so schnell reagieren kann?
Noch hält es sich... rutscht hin... rutscht her...
Loriot lässt grüßen. Nur, warum kann ich nicht lachen?
Abflug!
Deckung!
Ich vollführe ein gekonntes Ausweichmanöver, wobei sich diese unappetitliche Perle entschlossen hat, mitten auf meinem Entrecote zu landen.
Immer im Blick, sein ehemals funkelndes Rotweinglas, das inzwischen von einem Kranz aus undefinierbaren Essensresten gekrönt wird, Fingerabdrücke inklusive.
Ich hoffe Sie verstehen, dass ich an dieser Stelle nur noch einen Gedanken hege: FLUCHT!
Ein Glück, diese ganz besondere Spezies ist rar gesät.
Allerdings kann dieses Symptom genauso gut Frauen treffen.
Guten Appetit...

Ihre Aveleen

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© Aveleen Avide